Für einen gesunden Menschen ist es meist schwer, sich in die Situation einer behinderten Person hineinzuversetzen. Erst wenn die eigene Gesundheit zeitweise oder dauerhaft eingeschränkt wird, etwa durch Krankheit oder Unfall, rückt das Verständnis durch die eigene Betroffenheit deutlich näher. So kam es, dass im Jahr 1980 das erste barrierefreie WC in einem Autobahnhotel eingerichtet wurde. Ein Mitglied der Betreiber-Familie litt an Multipler Sklerose und war auf den Rollstuhl angewiesen.
Die Behinderung verursacht Barrieren. Letztlich werden körperlich behinderte Menschen zusätzlich zu der Behinderung auch noch ungewollt sozial ausgegrenzt.
Restaurants, Gaststätten, Kneipen oder auch der Imbiss um die Ecke sind Treffpunkte der sozialen Interaktion, die für jede Person, gleich welchen gesundheitlichen Status, zugänglich sein sollten. Bis in das Jahr 2002 war es Gaststättenbetreibern in Deutschland selbst überlassen, ob sie Barrieren für Behinderte beseitigen oder gar nicht erst entstehen lassen. Im Mai 2002 trat dann das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Kraft. Seitdem gibt es konkrete gesetzliche Richtlinien bezüglich der Gestaltung, die im Gaststättengesetz verankert sind. Ein barrierefreies Restaurant ist seitdem keine Frage mehr dessen, ob es der Inhaber beziehungsweise EigentümerIn möchte, sondern es sind gesetzliche Vorgaben, die beim Neubau oder Umbau einfließen müssen, um das Restaurant behindertengerecht zu gestalten.
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Ab wann und wie muss das Gesetz umgesetzt werden?
Der Stichtag ist der 1. November 2002. Ab diesem Datum dürfen Neubauten nur noch als Restaurants genehmigt werden, wenn sie baulich den Anforderungen der Barrierefreiheit genügen. Dies gilt ebenso für Bestandsbauten, die wesentlich umgebaut oder erweitert werden. Wenn keine Baugenehmigung seitens der örtlichen Behörden notwendig ist, besteht dann die Pflicht zur Barrierefreiheit, wenn das Gebäude beziehungsweise die Räumlichkeiten nach dem 1. Mai 2002 fertiggestellt wurden.
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Was bedeutet „wesentlicher Umbau“?
Zur Erklärung dieses Begriffs muss ein Sprung in die Arbeitsstättenverordnung gemacht werden. Jedes Restaurant ist zugleich eine Arbeitsstätte, wenn darin außer dem oder der Eigentümerin mindestens eine weitere Person steuerpflichtig beschäftigt ist. Ein wesentlicher Umbau liegt vor, wenn ein Restaurant so umgebaut wird, dass es bezüglich der darin befindlichen Arbeitsstätten den Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Richtlinie 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 entspricht. Vereinfacht ausgedrückt: Wer sein oder ihr Restaurant nach dem 1. Mai 2002 so umbaut, dass die darin befindlichen Arbeitsstätten den arbeitsrechtlichen Vorschriften entsprechen, muss zugleich die Richtlinien für Barrierefreiheit berücksichtigen.
Allerdings gibt es leider reichlich genutzte Ausnahmen. Das Gesetz zur barrierefreien Gestaltung des Restaurants beinhaltet die Möglichkeit, die Umbauten zur Barrierefreiheit aufgrund von unverhältnismäßig hohen Kosten zu verweigern, wenn das Gebäude vor dem 1. Mai 2002 errichtet wurde. Hinzu kommt, dass die Gaststättenverordnung inhaltlich Ländersache ist und sehr verschieden ausgelegt wird. In Berlin etwa sind Gaststättenbetreiber vom barrierefreien Umbau befreit, wenn die Umbaukosten mehr als das dreifache der Miete/Pacht beträgt. Nicht umsonst weist ausgerechnet die Hauptstadt die geringste Dichte barrierefreier Restaurants in Deutschland aus.
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Behindertengleichstellungsgesetz und Zielvereinbarung zwischen Unternehmensverbänden und Behindertenverbänden
Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet sich der § 5, der es zulässt, dass Interessenvertretungen Zielvereinbarungen zu Details der Barrierefreiheit treffen können, die vom Gesetz selbst nicht abgedeckt sind.
Im März 2005 wurde die erste Zielvereinbarung zwischen folgenden Verbänden unterschrieben:
Aufseiten der Hotel- und Gastronomiebetriebe
- DEHOGA
- I.H.A
Aufseiten der Sozialverbände
- VDK
- DBSV
- Interessenvertretung selbstbestimmtes Leben e. V.
- B.A.G
- Deutscher Gehörlosenbund
Diese Zielvereinbarung beinhaltet Gestaltungshinweise zum barrierefreien Umbau auf Grundlage des Gleichstellungsgesetzes, gepaart mit Ergänzungen, die speziell auf Gäste in der Hotellerie und in Gaststätten ausgerichtet sind.
Die Zielvereinbarung ist in 5 Kategorien unterteilt
A: Gäste mit Gehbehinderung, die zeitweise auf einen Rollstuhl oder eine Gehhilfe angewiesen sind
B: Rollstuhlfahrer, die permanent einen Rollstuhl nutzen müssen
C: Blinde und Sehbehinderte
D: Schwerhörige und Gehörlose
E: Alle Kategorien von A bis D zusammengefasst
Auf den ersten Blick erscheint die Aufteilung der Kategorien A und B etwas seltsam. Hier wird zwischen zeitweisen und permanenten Rollstuhlfahrern unterschieden, was in der Realität eher weniger vorkommt. In der Kategorie A müssen zum Beispiel die Türen nur 80 cm breit sein, in der Kategorie B jedoch 90 cm. Für ein Restaurant ist es nicht unbedingt imagefördernd, wenn es mit Barrierefreiheit wirbt, dann aber Rollstuhlfahrer abweisen muss, obwohl das dazugehörige offizielle Piktogramm für die Kategorie A einen Rollstuhlfahrer mit einer Begleitperson aufzeigt. Das Piktogramm für die Kategorie B mit 90 cm breiten Türen zeigt nur einen Rollstuhlfahrer. In der Regel sind die Gäste nicht so bewandert, dass sie die inhaltlichen Unterschiede der beiden Piktogramme immer gerade vor Augen haben.
Es bestehen noch weitere derartige Unterschiede zwischen A und B. So ist in A beim Zugang wie im Inneren eine Stufe erlaubt, in B nicht. Ebenso weist A geringere Abmessungen in den Fluren und den Gäste-WCs gegenüber B aus. Die machen dann aber gleich 30 cm Differenz aus und das ist schon sehr erheblich. Salopp formuliert könnte die wichtige Kategorie A als Barrierefreiheit Light bezeichnet werden. Erklärbar ist dies eigentlich nur über die wesentlich geringeren Umbaukosten in der Kategorie A gegenüber der Kategorie B. Die Gäste werden dies jedoch kaum honorieren.
Restaurantbetreiber sind deshalb gut beraten, bei Umbauten gleich die Vorgaben der Kategorie B zu berücksichtigen. Bei Neubauten nach dem 1. Mai 2002 gelten so oder so die baulichen Vorschriften des Gleichstellungsgesetzes, die größere Bewegungsflächen sowie stufenlose und 90 cm breite Türen beinhalten.
In der Kategorie C, Blinde und Sehbehinderte, wird vorausgesetzt, dass der gesamte Gästebereich kontrastreich gestaltet ist und die Speisekarte zusätzlich in Blindenschrift vorliegt beziehungsweise eine barrierefreie Homepage im Internet verfügbar ist.
In D, Schwerhörige und Gehörlose, soll mindestens ein Tisch mit vier Plätzen blendfrei und ohne gegenseitige Sichtbehinderung gestaltet sein, damit sich die Gäste von den Lippen ablesen können. Wesentliche Informationen müssen nicht nur akustisch, sondern auch optisch wahrnehmbar sein.
Im besten Fall weist das Restaurant eine Barrierefreiheit der Kategorie E auf, die alle Vorgaben der vorangegangenen Kategorien beinhaltet. Deren Piktogramm, das als Aufkleber auf oder neben der Eingangstür den jeweiligen Status darstellt, zeigt einen Rollstuhlfahrer, der von einem Kreis mit einem Pfeil umringt ist. In barrierefreien Restaurants der Kategorie E wird die Behinderung von Menschen wirklich ernst genommen.
Wir von KASON wünschen viel Spaß